Lokalgeschichtliches zur Stadt Erding

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Erdings Weg in die Geschichte Die Stadt Erding vor ihrer Gründung 1228

Ausschnitt aus der TABULA PEUTINGERIANA, einer römischen „Straßenkarte“ mit der Station “ Bratananium“, die nach jüngsten Forschungen im Raum Erding lokalisiert wird.

Ein Beitrag zur Geschichte der Stadt an der Sempt

Das Stadtwappen am Eingang zum Erdinger Rathaus

Über dem Eingangsportal des Erdinger Rathauses grüßt die Jahreszahl 1228 und das Wappen der Stadt den Besucher. „In diesem Jahr hat der bayerische Herzog Ludwig der Kelheimer die Stadt Erding gegründet“. So steht es in den Monografien zur Erdinger Geschichte geschrieben und so wird es Generationen von Erdinger Schülern vermittelt. Lokalhistoriker verteidigen die Behauptung vehement und selbst jüngste Publikationen tradieren und verfestigen die Aussage in dieser Form. Seit über einhundert Jahren wird der Satz immerfort wiederholt, aber nie hinterfragt. Die „Stadtgründung 1228“ ist zu einem Dogma in der Erdinger Stadtgeschichte geworden.

Die erste quellenmäßige Erwähnung Erdings findet sich in einem herzoglichen Urbar aus der Zeit um 1230 als Eintrag über Einnahmen aus einem Markt Ærding. Die ältere Forschung setzte deshalb die Stadtgründung unmittelbar vor dieser Zeit an und legte sie willkürlich in das Jahr 1228. Ältere schriftliche Dokumente existieren nicht.

Die Rekonstruktion des historischen Ablaufs der Stadtwerdung Erdings ist mangels früher schriftlicher Quellen nicht mehr möglich. Eine Analyse ähnlicher Stadtentstehungen kann uns jedoch weiterbringen. Hilfreich sind dabei Vergleiche und Analogien, die uns die jüngsten Erkenntnisse aus den Disziplinen der mittelalterlichen Herrschafts-, der Siedlungs-, der Straßen-, der Verkehrs- und ebenso der Wirtschaftsgeschichte liefern. Nicht zu vergessen, die Ergebnisse moderner Ortsnamenforschung. Zum Verständnis notwendig ist gleichzeitig ein besonderer Blick auf die historischen Merkmale und Strukturen der alten vorgeschichtlichen Handelsrouten und Handelsbeziehungen. Straßen und Siedlungen stehen seit jeher in einer untrennbaren gegenseitigen Bedingtheit, eine Tatsache, die immer noch zu wenig Beachtung erfährt.

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Tatsächlich war das siedlungsgünstige Gebiet um das spätere Erding bereits relativ gut besiedelt. Die ersten Ansiedlungen reichen in die Steinzeit zurück. In vorrömischer Zeit war hier bereits ein keltisches Subzentrum, wie die zahlreichen Funde aus keltischer Zeit dies belegen. Maßgeblich dafür war wohl jener uralte und bedeutende Handelsweg, der aus den Erz- und Salzförderstätten aus den Alpen kam und von Salzburg über den Raum Wasserburg und Erding weiter nach Manching führte.

Das vorgermanische (keltische) Siedlungsareal an der Sempt war keinesfalls ein agrarisch strukturierter Ort, sondern ein weithin bekanntes Wirtschafts- und Handelszentrum mit einem Umschlagplatz an einem hochfrequentierten länderübergreifenden europäischen Fernhandelsweg. Hier lebte eine sozial stark differenzierte Gesellschaft, bei der nur wenige Mitglieder in der Landwirtschaft tätig waren. Die Erwerbsquellen der oberen Schichten standen in einem ursächlichen Zusammenhang mit Fernhandel, Verkehr und Speditionswesen. Die zahlreichen und teils spektakulären Funde aus dieser Zeit im Erdinger Westen weisen darauf hin.

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Auf den Namen der keltischen Siedlung stoßen wir erst in römischer Zeit. Hier kreuzten sich zwei damals wichtige Fern- und Staatsstraßen und machten den Ort zu einem Quadrivium. Eine (archäologisch gesicherte) römische Süd-Nord-Verbindung kam von Süden und führte nach Landshut und Regensburg. Eine zweite (quellenmäßig belegte) römische Straße verlief auf der Trasse der alten Keltenroute von Salzburg herkommend über Erding und von hier aus in Richtung Dachau zur Provinzhauptstadt Augsburg. Erstmals erhalten wir nun Namen aus den schriftlichen Quellen. In einem römischen Straßenverzeichnis wird eine Straßenstation mit der Bezeichnung „Bratananium“ genannt. Dahinter verbirgt sich nach den Erkenntnissen der Namenforscher ein keltischer Ortsname *Brátan, als Bezeichnung für einen Gerichts- oder Zentralort. Die Römer adaptierten ihn dann als Bratananium. Der Name könnte sich im Erdinger Ortsteil Bretzen/Pretzen erhalten haben. Mit Bratananium wählten die Römer hier einen wohl überregional bekannten Ortsnamen zur Lokalisierung ihrer Straßenstation, entgegen ihrem sonstigen Usus den Namen des zu überquerenden Flusses zu verwenden.

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Mit der Einwanderung germanischer Siedler nach dem Ende der römischen Herrschaft veränderten sich die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen. Neben den Siedlungen der alteingesessenen Bevölkerung entstanden neue agrarische Siedlungen mit den typischen Ortsnamen auf -ing. Die alten Fernhandelswege gingen zwar nicht unter, verloren jedoch ihre alte Bedeutung. Nördlich der Alpen, entstanden kleinräumige Verhältnisse. Die ortsverbindenden „Landstraßen“ gewannen nun einen neuen Stellenwert.

Das Zusammentreffen von mehr als einem halben Dutzend überörtlicher Straßen im Erdinger Raum -eingeschlossen die alten Fernstraßen – förderte zwangsläufig auch die Ansiedlung von Menschen im Hinblick auf Dienstleistungen und Einrichtungen für Rast und Versorgung von Menschen und Tieren. Relativ früh entstand hier ein kleiner „wilder“ Markt.

Als „Standort“ bot sich das hochwasserfreie Inselareal zwischen Sempt und Fehlbach an. Die beiden Gewässer ergaben daneben einen natürlichen Schutz für eine dauerhafte Ansiedlung.

Wann dieser kleine Markt auf dem Gebiet der heutigen Altstadt entstanden ist, entzieht sich unserer Kenntnis. Die Notwendigkeit, hier eine dienstleistende kleine Ansiedlung zu errichten, dürfte sich erst nach dem Abzug der Römer und der Aufgabe des römischen Straßenpostens an dem Quadrivium an der Sempt ergeben haben.

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Das unbebaute Land war keiner Grundherrschaft zugehörig. Der Straßenknotenpunkt, wie die überörtlichen Fern- und Reichsstraßen generell, unterstanden nur dem allerhöchsten Herrn, dem deutschen König. Als Repräsentant des Reiches sah er sich als Nachfolger des römischen Reiches (und dessen Fiskus), womit er auch über das sog. Straßenregal verfügen konnte. Die Reichsstraßen samt deren Zugehörden, waren damit, rechtlich gesehen, unmittelbarer Reichs-Besitz. Schon relativ früh wurde dieses hoheitliche Recht vom König an verdiente Reichs-Vasallen übertragen. In Bayern übte diese hoheitliche Funktion der Herzog aus.

Königsgut lässt sich im Dorf Altenerding mehrfach fassen. So um 788, als auf königlichem Grund in „ardeoingas“ (Altenerding) eine Gerichtsverhandlung stattfand. Oder um 891, als ebenda Grundbesitz (Witwengut) der Mutter König Arnulfs der Salzburger Kirche übertragen wird. Ein Symptom für den Beginn der allgemeinen Entfremdung des alten Reichsguts.

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Die neue aufstrebende Siedlung auf der „Insel“ zwischen Sempt und Fehlbach entstand in unmittelbarer Nachbarschaft zum Bauerndorf mit dem damals überregional bekannten Namen „Erding“ (Ærding/Arding). Der Name bezeichnete im erweiterten Sinne zugleich gesamte Siedlungsareal an der Sempt. Und obwohl der Name auch von der (späteren) Stadt übernommen wurde, war Altenerding nicht die Urzelle für die Genese dieser Stadt. Das agrarische Altenerding behielt seinen Charakter und seine Selbständigkeit über weitere Jahrhunderte (bis 1978), zur Differenzierung wurde das Dorf später „Alten-Erding“ genannt. Seine archaisch grundherrschaftliche Verfassung verhinderte jede Dynamik und jeden Aufstieg.

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Der Aufstieg der Stadt Erding steht in einem ursächlichen Zusammenhang mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbrüchen und Veränderungen im Reich. Im Zuge des Wandels von der archaischen Naturalwirtschaft zur moderneren Geldwirtschaft konzentrierte sich schon bald auch das Interesse des Adels auf die neue Einnahmequelle Geld in gemünzter Form. Beispiele dafür waren die in anderen wirtschaftlichen Kategorien denkenden und handelnden Bürger der Städte, jene „Pfeffersäcke“, die nicht nur ihren Städten zu wirtschaftlicher Blüte verhalfen, sondern auch auf höchste politische Entscheidungen Einfluss nahmen.

Nach dem mittelalterlichen „Do ut des“ (Ich gebe dir, du gibst mir) bot sich eine Vertragspartnerschaft an: Die Herren wollten Geld, die Gegenseite „Privilegien“, damals „Freiheiten“ genannt, die ihnen eben nur die Herren geben konnten. Die Herren investierten, die späteren „Bürger“ lieferten die Renditen. Erstrebenswert für Letztere waren u.a: Schutz und Sicherheit, weniger Einschränkungen in Handel und Selbstverwaltung und ein bestimmtes Maß an persönlichen Rechten und Pflichten. Je nach wirtschaftlicher Potenz erkauften sich die Bürger diese Freiheiten Schritt für Schritt.

Die gewonnenen „Freiheiten“ ließen sie sich dann per Urkunde verbriefen.  Die katalogartige Auflistung resultierte meist in sog. „Stadtgründungsurkunden“. Diese waren mit einem Ausstellungsdatum versehen, welches aber in sehr seltenen Fällen ein echtes Datum einer Stadtgründung „auf freiem Feld“ vermitteln wollte. Für die Zeitgenossen galten diese „Stadtgründungsurkunden“, ob Original oder Rekonstruktion, als authentische Dokumente, die dem Status quo die rechtlichen Grundlagen sichern halfen. Manche „Stadtgründungsurkunde“ wurde erst später „nachgereicht“.

Trotz all der Freiheiten blieb den Bewohnern der Märkte und Städte doch noch die individuelle persönliche Freiheit verwehrt. Die späteren mächtigen „Reichsstädte“, die sich mit ihrem Geld auch diese Freiheit für Ihre Vollbürger erkaufen konnten und dann nur noch den Kaiser selbst als ihren Protektor anerkennen mussten, waren allerdings die Ausnahme. Allen anderen – auch dem vergleichsweise armen Erding – blieb der Herr noch erhalten. Als Schutz- und oberster Gerichtsherr war der Herzog auch weiterhin als „Stadtherr“ präsent.

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Erding besitzt keine alten Dokumente mehr. Nur über Rückschlüsse und Vergleiche mit anderen Städten ergeben sich Vergleiche und Analogien.

Wann der Markt in Erding endlich den Status einer („echten“) Stadt erhielt, lässt sich nicht mehr datummäßig feststellen. Als „oppidum“ (Stadt) wird Erding anno 1280 erstmals genannt. Der Begriff „oppidum“ impliziert eine irgendwie gestaltete befestigte Siedlung mit einem gewissen Maß an Eigenständigkeit und Selbstverantwortung.

Der Aufstieg manifestierte sich rein äußerlich durch die Siegelung von eigenen Schriftsätzen. Das älteste erhaltene Stadtsiegel von Erding als Siegel der „Bürger“ („SIGILLUM CIVIUM IN AERDINGA“) erscheint im Jahre 1303. Die explizite Nennung der Bürgerschaft von Erding kann als Beleg dafür gewertet werden, dass Erding schon damals den Status einer Stadt hatte. Wirtschaftlich potente Bewohner konnten sich in einer Stadt das Bürgerrecht erkaufen und zu Vollbürgern aufsteigen. Nur die „Bürger“ wirkten an den politischen Entscheidungen mit.

Auch für die einzelnen Phasen der Stadtbefestigung gibt es nur Hinweise. Ältestes Bauwerk der Stadt Erding ist der imposante Stadtturm in geringem Abstand neben der Stadtkirche. Er steht im Eigentum der Stadt und ist deshalb rechtlich kein Turm der Kirche, nur die Glocken sind hier untergebracht. Überzeugende Indizien legen den Schluss nahe, dass der alte Turm in einer Zeit erbaut wurde, als es noch keine wirksamen Feuerwaffen gab, mit denen damals solche Steinbauten zerstört werden konnten. Derartige „Fluchttürme“ gab es in den deutschen Landen im 11. und 12. Jahrhundert häufig. Sie boten den damals noch wenigen Bewohnern der Siedlungen einen wirksamen (bunkerartigen) Schutz gegen feindliche Überfälle und Angriffe. Der Stadtturm in Erding dürfte noch vor dem Bau der Kirche errichtet worden sein. Er wurde später erhöht und fand praktischerweise Verwendung als Glockenturm.

Nach den jüngsten Erkenntnissen verdankt die Stadt Erding ihre Entstehung besonderen Faktoren:

  1. Der topografisch günstige gelegene Straßenknotenpunkt auf der „Insel“ zwischen den beiden Semptarmen war die infrastrukturelle Urzelle. Hier entstand frühzeitig ein „wilder“ Markt.
  2. Die unterschiedlichen herrschaftsrechtlichen Verhältnisse – hier das Bauerndorf, dort die unter dem Schutze des Reiches stehenden überörtlichen Straßen – begünstigten die Entwicklung des kleinen Marktes.
  3. Der Wandel von der Natural- zur Geldwirtschaft lenkte das Interesse der feudalen Herren des Mittelalters auf neue Einnahmequellen. Dazu boten sich die bislang vernachlässigten Marktorte an.
  4. Die Eigeninteressen der Bewohner und die Förderung durch den Landesherrn schufen eine neue Dynamik, die in der statusmäßigen Aufwertung der Marktorte zu „Städten“ gipfelte und den Bewohnern als „Bürger“ zu einem besonderen Stand verhalfen.

Die Stadt Erding kann ungeachtet der fehlenden Urkunden mit Stolz auf eine alte Geschichte zurückblicken. Die gewählte Jahreszahl hat symbolischen Charakter und gibt uns heutigen Menschen, die wir in modernen, rationalen Denkweisen verhaftet sind, als Anhalt einen konkreten historischen Bezugspunkt zur Orientierung.

2028 kann trotzdem gefeiert werden:

 „800 Jahre Ersterwähnung Erdings – eines historischen Ortes mit einer mehr als 1000-jährigen Geschichte.“

Benno Haubers Umschlagskizze zur Erdinger Chronik (1961)

Persönliches Nachwort

Der Wissensstand zur Geschichte der Stadt Erding vor ihrer „Gründung 1228“ basiert auf alten Stoffsammlungen, die vor etwa einhundert Jahren zusammengetragen und seither im Wesentlichen nahezu unverändert weitergegeben werden. Die hier vorgestellten jüngsten Forschungsergebnisse bieten einen zusammenfassenden Überblick über die Vorgeschichte der Stadt Erding. Es wurde versucht, über einen alternativen wissenschaftlichen Ansatz und auf neuen Wegen Licht in die noch weitgehend im Dunklen liegenden frühgeschichtlichen Zeiten zu bringen. Der Aufsatz versteht sich darüber hinaus als Beitrag und Grundlage zu weiterführenden Diskussionen in der Lokalgeschichte. Von wissenschaftlicher Seite wurden diese neuen Erkenntnisse – soweit sichtbar -(noch) nicht zur Kenntnis genommen oder widerlegt.

Literaturauswahl:

Zöpf, Bernhard: Historisch-topographische Beschreibung des kgl. Landgerichts Erding. Freising 1856 – Dachs, Hans: Römisch-germanische Zusammenhänge in der Besiedelung und den Verkehrswegen Altbayerns. (Ostbay. Grenzmarken 13, 1924) – Dachs, Hans u. Karl: Das Werden einer Stadt. Erding 1961. (Mit umfangreichen Literaturangaben zur Geschichte Erdings bis 1960) – HerlethKrentz, Susanne: Erding. Historischer Atlas von Bayern. Teil Altbayern, Heft 58, München 1997 (Herrschaftsgeschichtlicher Überblick mit detaillierten Quellennachweisen) – Bauer, Hans: Die römischen Fernstraßen zwischen Iller und Salzach nach dem Itinerarium Antonini und der Tabula Peutingeriana. Neue Forschungsergebnisse zu den Routenführungen. München 2007 (Details zu den römischen Straßen im Raum Erding)

(zuletzt bearbeitet: 15.07.2022 /15:00)

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